Positionen der SPD-Ratsfraktion zur absehbaren Verdopplung der Grundsteuer in Alfter

Die drohende Verdopplung der Grundsteuer verunsichert viele Menschen in Alfter. Wie konnte es soweit kommen, liegt wirklich alles nur an der Schule? Unsere Positionen zum Nachlesen.

Derzeit engagieren sich viele Alfterer politisch, indem sie die Online-Petition „Massive Grundsteuererhöhung in Alfter verhindern“ zeichnen und darüber mit Nachbarn, Freunden oder im Vereinen diskutieren. Die Petition richtet sich an Bürgermeister und Gemeinderat, und fordert zum Sparen auf, um massive Steuererhöhungen zu vermeiden.

Für die SPD-Ratsfraktion nimmt Fraktionsvorsitzender Christian Lanzrath zu dieser Petition öffentlich Stellung:

„Zunächst finde ich es beachtlich, dass sich derzeit so viele Menschen in Alfter mit der Kommunalpolitik befassen. Es zeigt sich: Auch Kommunalpolitik geht alle an – hier wird Politik ‚vor der Haustür‘ gemacht, die politischen Vertreter sind oft Nachbarn oder Bekannte und vor Ort greifbar. Ich würde mir wünschen, dass sich viel mehr Menschen politisch eingebringen und nicht erst, wenn das Kind in den Brunnen zu fallen droht oder schon gefallen ist, mit erhobenem Finger auf die Politik gezeigt wird.

Dieses Engagement wollen wir als SPD fördern und werden dazu nach den Sommerferien zu öffentlichen Veranstaltungen „Deine Idee für ein Alfter für alle“ einladen.

 

Zur aktuellen Situation:

Die Verwaltung wird im Herbst 2023 vorschlagen, die Grundsteuerhebesätze in Alfter zum Haushalt 2024 von derzeit 763 auf ca. 1.500 Prozentpunkte knapp zu verdoppeln. Die genaue Kalkulation werden wir erst mit Einbringung des Haushaltentwurfs im Herbst kennen, aber von dieser Größenordnug müssen wir derzeit ausgehen.

In unseren Augen ist eine derartige Erhöhung der Grundsteuer sozialer Sprengstoff, da sie alle Menschen in Alfter betrifft. Vermögende genauso wie junge Familien, die ihr Wohnhaus oder eine Eigentumswohnung grade erst abbezahlen aber auch Mieterinnen und Mieter, die die Grundsteuer von Vermietern in den Nebenkosten in der Regel durchgereicht werden oder Renterinnen und Rentner mit kleiner Rente. Auch Gewerbetreibende sind mit der Grundsteuer für Ihre Betriebsgebäude betroffen und zahlen gleich doppelt – für Wohnung und Gewerbeobjekt. Einige in der Alfterer Politik haben bisher versucht, von einer „sozialverträglichen Grundsteuererhöhung“ zu sprechen, das ist fadenscheinig, da es bei der Grundsteuer keine Steuerungsinstrumente (z.B. nach Einkommen gestaffelt) gibt, die Steuer fällt objektbezogen an.

Darüber hinaus sehen wir eine derartige Erhöhung als Standortnachteil für die Gemeinde – Investoren, Gewerbetreibende oder Menschen auf Wohnungssuche könnten einen Bogen um Alfter machen.

Die SPD Fraktion hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren gegen viele teuere Entscheidungen gestemmt oder gefordert, die Kommunalfinanzen insgesamt mehr in den Fokus zu nehmen. Leider haben einige andere Fraktionen und der Bürgermeister hier keine Notwendigkeit gesehen, was die aktuelle Situation verschärft. Auf einige Aspekte möchten wir daher detaillierter eingehen, denn wir sehen in der Finanzsituation des Gemeindehaushalts eine fatale Zuspitzung aus:

  • Aktuellen Rahmenbedingungen,
  • teuren Fehlentscheidungen aus der Vergangenheit und
  • schlechtem Finanz- und Projektmanagement des Bürgermeisters.

In Kombination fällt uns nun alles zur gleichen Zeit auf die Füße und Alfter steht mit dem Rücken zur Wand.

Auf einige der folgenden Aspekte bin ich bereits in meiner Haushaltsrede (zum Lesen, anklicken) vom 30.03.2023 eingegangen.

Zu den aktuellen Rahmenbedingungen

Viele Kommunen stehen derzeit vor immensen Herausforderungen,

  • hohe Personalkosten und Fachkräftemangel
  • gestiegene Energiepreise und allgemeine Inflation in Folge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine
  • hohe Kosten und Einnahmeausfälle in Folge der Corona-Pandemie werden die Haushalte langfristig belasten, da schwarz-grün in      Düsseldorf die Kommunen finanziell nicht unterstützt.
  • Seit Jahren steigen Baupreise und die Preise für Handwerksleistungen als Folge jahrelanger 0%-Zins-Politik,
  • neu hinzukommen jetzt erhebliche Zinssteigerungen für neue oder abzulösende Kredite,
  • Die Unterbringung von Zufluchtsuchenden verursacht weitere Kosten
  • Die Anpassung an den Klimawandel ist auch nicht zum Nulltarif zu haben.

Diese Faktoren treffen aber alle Kommunen, trotzdem steht Alfter besonders miserabel da. Gibt es also individuelle Effekte?

  • Alfter gibt z.B. relativ viel Geld für Hochwasserschutz aus, aber auch damit stehen wir nicht alleine da.
  • Ein konkretes Problem ist die Finanzpolitik von schwarz-grün in Düsseldorf: Alfter erhält derzeit weniger(!) Schlüsselzuweisungen als noch im vergangen Jahr. Zwar schauen gerne Landespolitiker insbesondere der CDU mit Förderschecks zu Fototerminen vorbei, diese sind aber in der Regel zweckgebunden für bestimmte Projekte. An der finanziellen Basis zieht schwarz-grün uns dafür den Teppich unter den Füßen weg.
  • Die Sanierung der ehemaligen Hauptschule und die Gründung eines Gymnasiums stehen derzeit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern im Fokus, gleichwohl: Andere Kommunen beschulen unsere Kinder, wir sparen uns bisher den Betrieb einer Schule und stehen trotzdem schlechter da, wir können nichtmal Schwimmunterricht bieten.

Wo liegen also individuelle Ursachen für das Dilemma in Alfter?

Fehlentscheidungen in der Vergangenheit

Man muss kein großer Freund von „Was wäre, wenn…?“ – Gedankenspielen sein, aber einige Punkte möchten wir beleuchten:

  • In den letzten Jahrzehnten gab es immer mal wieder die Möglichkeit, eine Gesamtschule in Alfter einzurichten. Insbesondere die CDU hat sich gegen diesen Ansatz gestemmt. Schaut man über die Stadtgrenze nach Bornheim zur Europaschule, muss man feststellen, dass man sich eine Erfolgsgeschichte hat entgehen lassen. Wir hätten längst eine Schule haben können, wenn die Verwaltung bei der Gründung einer Gesamtschule nur halb so viel Elan an den Tag gelegt hätte, wie zuletzt bei der erfolgreichen Gründung eines Gymnasiums – nun müssen wir zu Hochpreisen in einer Hochzinsphase an den Erweiterungsbau herangehen.
  • Erst vor kurzem wurde ein teures Prestigeprojekt, das uns wie ein Mühlstein um den Hals hängt, beschlossen – die Anmietung von Schloss Alfter für die OGS. Als SPD Alfter haben wir für einen Neubau im Gemeindeeigentum auf aktuellem energetischen Stand gestritten – hier hätte man Substanz und Werte in Gemeindehand geschaffen. Stattdessen werden nun horrende Miet- und Betriebskosten für das Alfterer Schloss fällig – die Kosten sind gar so horrend, dass überlegt werden muss, nicht alle Räume zu nutzen. Ein Offenbarunsgeid! Als Privatmensch denke ich mir: ‚Als würde ich mir eine teure Wohnung in der angesagten Bonner Südstadt mieten, hätte dann aber kein Geld mehr für Strom, Wasser und Möbel.‘ Hier haben uns die Grünen, weite Teile der CDU und Teile der Freien Wähler Alfter einen Mühlstein um den Hals gehängt. Gerne wird jetzt von diesen argumentiert: ‚Welch ein Glück, dass wir dort nun die Menschen aus der Ukraine unterbringen können‘ – Aus Sicht der SPD ein sehr teures Glück und manchmal wäre es uns lieber, wenn wir nicht hinterher sagen müssten „Glück gehabt“ – sondern vorher jemand einen Plan gehabt hätte. Unsere Position zur Anmietung des Schlosses gibt es hier nochmal zum Nachlesen: Position zur Anmietung von Schloss Alfter
  • Schaut man in den kommunalen Vergleich, steht Alfter gemessen an der Einwohnerzahl mit sehr niedriger Gewerbesteuereinnahmen da und das trotz hoher Hebesätze auch für diese Steuer. Grund hierfür ist die im Vergleich geringe Zahl von Gewerbeflächen, die Alfter hat. Nach jahrzehntelanger Mehrheit der vermeintlichen „Wirtschaftspartei“ CDU in Alfter muss man konstatieren: Die Unternehmen der Region sitzen in Gewerbeparks in Bornheim oder Rheinbach – und zahlen dort ihre Steuern, nicht in Alfter.

Einige Faktoren liegen also in den aktuellen Rahmenbedingungen, an denen Alfter wenig ändern kann, aber auch in Fehlentscheidungen, die wir nun mit uns schleifen müssen und die sich nicht schnell korrigieren lassen.

Das „Finanzschiff“ fährt also durch raue See und es braucht einen guten Steuermann an Deck, doch auch hier ist „Luft nach oben“:

 

Das Projekt- und Finanz- und Kommunikationsmanagement des Bürgermeisters ist nicht ausreichend

Bereits im September 2022 hat der Kämmerer auf die desolate Haushaltslage aufmerksam gemacht. Ich habe in dieser Ratssitzung den Bürgermeister gefragt, was das für die Steuern in Alfter bedeuten wird. Er hat diese Frage beiseite gewischt „jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um über Steuererhöhungen zu diskutieren“ – Probleme aufgreifen sieht in meinen Augen anders aus.

Auch das Projektmanagement um den Neubau einer Schule war bisher ein Schlingerkurs:

  • Zunächst stand eine Kostenschätzung von 26 Mio EUR für Erweiterungsbauten im Raume, auf dieser Grundlage wurden Entscheidungen getroffen.
  • Sodann wurde eine „Projektstudie“ mit einer Kostenschätzung von knapp 80 Mio EUR aus dem Hut gezaubert
  • Erst danach ging es überhaupt an die Ermittlung des konkreten Raumbedarfs, somit gab es eine Projektstudie und danach ging es an die Grundlagen für die Vorstudie – Zeit und Geld wurden verplempert.
  • Weitere Verzögerungen sind auch hier absehbar, da erst im Mai 2023 planungsrechtliche Prüfungen für einen Erweiterungsbau angestellt wurden und nun klar ist, dass zunähst ein B-Planverfahren notwendig wird.

Dies sind einige Punkte, die sich nun zuspitzen und nur langfristig korrigierbar sind.

Wir haben als SPD frühzeitig mehr Klarheit gefordert und auch durch unsere Ablehnung der Eckpunkte eines Haushaltssicherungskonzepts für die Gründung eines Gymnasiums sowie die Ablehnung des Raumkonzepts zum Ausdruck gebracht, dass viele Risiken ungeklärt sind und die Gemeinde überfordern. Zum Nachlesen: „Ist ein Gymnasium für Alfter finanzierbar?“

 

„Steuererhöhungen – alles wegen eines Gymnasiums?“

In Alfter macht sich die Meinung breit, die Steuern verdoppeln sich fast ausschließlich wegen des Gymnasiums – stimmt das?

Fakt ist: Alfter und die Region brauchen diese Schule dringend. Dieser Bedarf lässt sich auch politisch nicht wegdiskutieren. Die drohende, massive Steuererhöhung liegt aber längst nicht nur an dem Gymnasium, sondern an einem breiten Fächer von aktuellen Herausforderungen und zurückliegenden Entscheidungen, wie oben geschildert. Die Kosten für einen Erweiterungsbau werden uns erst künftig treffen und die Steuer absehbar weiter steigen!

Für die SPD ist klar: Wir brauchen die Schule und werden uns politisch für eine gute Schule für unsere Kinder einsetzen – dieser Verantwortung stellen wir uns. Gleichwohl kann man auch hier über das „Wie?“ diskutieren. Nach unserer Auffassung ist das jüngst beschlossene Raumprogramm für das Gymnasium zu üppig. CDU, Grüne und Freie Wähler haben auch üppigen Wünschen von Schulleitung und Verwaltung zugestimmt. Die Freien Wähler haben uns vorgeworfen, wir würden kneifen. Das Gegenteil ist der Fall, wir stehen für einen verantwortlichen Interessenausgleich zwischen der Schule und den Gemeindefinanzen.

Wir stellen uns der Realität und der Herausforderung – die Schule ist nun eingerichtet und es ist unsere gemeinsame, politische Aufgabe für eine adäquate Schule zu sorgen, diese Verantwortung nehmen wir als SPD in Alfter ernst und wir werden uns in diesem Projekt konsequent und konstruktiv einbringen.

 

Fazit und Ausblick – wie geht es weiter:

Im Herbst 2023 wird der Haushalt 2024 / -25 beraten. Plötzliche Wundermittel, einen Topf voller Gold oder neue Mathematik, die zu spürbaren Verschiebungen im Haushalt zu Gunsten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler führt, erwarte ich nicht. Die Grundsteuererhöhung ist nicht vom Tisch, das haben wir auch im letzten Klartext festgestellt.

Wir werden sehen, wie sich insbesondere CDU und Grüne verhalten werden. Beim Beschluss des Haushalts 2023 haben beide Fraktionen formuliert, dass eine Zustimmung zum Haushalt 2023 keine Zustimmung zu höheren Steuern 2024 darstellt – In unseren Augen ist das eine sehr eigenwillige Auffassung und keine konsequente Linie, schließlich haben die entsprechenden Unterlagen die drohende Steuererhöhung ganz klar dargestellt und die langfristige Finanzplanung ist Bestandteil des Haushalts. Diese Ansicht haben wir auch in der oben aufrufbaren Haushaltsrede eingebracht.

„Was wir zukünftig und langfristig brauchen, ist Kompetenz in Sachen Projekt-, Kommunikations- und Finanzmanagement. Nur durch langfristige Konsolidierung werden wir das Finanzdesaster hinter uns lassen können.“ – Christian Lanzrath

Hierzu braucht es langfrstige Strategien und Ideen. Einige Punkte möchten wir hier schon benennen:

  • Die Gemeinde muss sich auf die Ansiedlung weiterer Gewerbebetriebe konzentrieren, um Gewerbesteuer zu generieren.
  • Wir müssen uns auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien aktiv betätigen, andere Kommunen sind hier besser. Wir haben zum Haushalt 2023 einen entsprechenden Antrag eingebracht, eigene „Energiewerke“ zu gründen.
  • Wir brauchen in meinen Augen fließendere Strukturen zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Politik und Verwaltung, nur gemeinsam wird es möglich sein, das Dilemma langfristig zu lösen.

 

Ich bin überzeugt: Alfter kann mehr, wenn alle an einem Strang ziehen. Gleichwohl ’steckt der Karren zunächst im Dreck‘, weitere Hiobsbotschaften in den kommenden Jahren sind nicht auszuschließen. Denn so langfristig die Abwärtsspirale sich gedreht hat, so langfristig wird es Zeit brauchen, bis Konsolidierungsmaßnahmen greifen.“

 

Christian Lanzrath

Fraktionsvorsitzender der SPD im Rat der Gemeinde Alfter

im Juli 2023