Initiativantrag für den a.o. Bundesparteitag in Bonn
Der SPD-Bundesparteitag erkennt an, dass mit den vorliegenden Ergebnissen der Sondierungsgespräche mit der CDU/CSU bereits wichtige Fortschritte für die strukturelle Erneuerung unseres Landes und für mehr soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft erzielt worden sind. Die Ergebnisse sind deshalb geeignet, um im Rahmen von Koalitionsverhandlungen die noch offenen Fragen zu klären und damit den Mitgliedern die Abstimmung über ein Gesamtergebnis zu ermöglichen.
Wir schaffen mit dem Sondierungsergebnis sozialen Fortschritt bei der Rente, in dem wir das Rentenniveau auf 48 Prozent absichern und eine Grundrente einführen. Anders als bisher werden Arbeitgeber nicht mehr einen geringeren Krankenkassenbeitrag zahlen als die Arbeitnehmer, es wird wieder Parität herrschen. Für die Eingliederung von Arbeitslosen wird zukünftig mehr Geld zur Verfügung stehen und ein echter sozialer Arbeitsmarkt für zunächst 150.000 langzeitarbeitslose Menschen organisiert werden können. Damit setzen wir endlich den Passiv-Aktiv-Tausch in der Arbeitsmarktpolitik durch. Außerdem wird es eine Ausbildungsmindestvergütung geben. Der Bau bezahlbarer Wohnungen wird auf hohem Niveau gefördert, Mieter profitieren von einer geringeren Modernisierungsumlage. Und wir erreichen mit der Abschaffung des Solidaritätszuschlags für 90 Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eine direkte Entlastung. Der von uns durchgesetzte Paradigmenwechsel in der Europapolitik ist ein großer Erfolg und eröffnet endlich die Chance, Europa demokratischer, handlungsfähiger und solidarischer zu machen. Wir können soziale Stabilität in Europa schaffen.
Der SPD-Bundesparteitag stellt aber gleichzeitig fest, dass mit CDU und CSU bislang in für uns essentiellen Projekten für mehr Sicherheit im Arbeitsleben, für mehr Gerechtigkeit in unseren Sozialsystemen und für eine humanitäre Flüchtlingspolitik nur unzureichende Ergebnisse erreicht worden sind. Dies betrifft insbesondere:
- Die ersatzlose Abschaffung der sachgrundlosen Befristung, um insbesondere für junge Menschen für mehr Sicherheit beim Start ins Berufsleben zu sorgen und sie damit oftmals auch in der Phase der Familiengründung zu unterstützen.
- Den Einstieg in das Ende der Zwei-Klassen-Medizin durch eine Angleichung der Honorarordnungen für gesetzlich und privat Versicherte, damit sich die Versorgung nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten und nicht ihrem Versicherungsstatus richtet.
- Eine weitergehende Härtefallregelung für den Familiennachzug, um Familien das Zusammenleben zu ermöglichen.
Deshalb ist für uns klar: Das Sondierungsergebnis ist eine Grundlage für Koalitionsverhandlungen, in denen insbesondere in den genannten Bereichen substanzielle Verbesserungen erzielt werden müssen. Deshalb gilt: Wenn die Koalitionsverhandlungen insgesamt zu einem tragfähigen Ergebnis kommen, wird der Parteivorstand den Mitgliedern einen Entwurf für einen Koalitionsvertrag zur Abstimmung vorlegen, der diese Verbesserungen enthält.
Unabhängig vom Ausgang dieser Entscheidung fordert der Bundesparteitag den Parteivorstand auf, noch im ersten Quartal eine Roadmap für den notwenigen inhaltlichen Neuaufstellungsprozess mit dem Ziel vorzulegen, diesen noch vor der Sommerpause zu starten.
Im Falle einer Koalitionsbildung wird der ordentliche Parteitag 2019 zur Halbzeit der Wahlperiode eine Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit sowie der Erneuerung der SPD ziehen und eine Entscheidung für den weiteren Fortgang treffen.