Eine Altersverschiebung innerhalb der Wohnbevölkerung ist im Gange, der Anteil der Alten und sehr Alten wird größer. Im Rhein-Sieg-Kreis rechnet man bis zum Jahr 2025 mit einer Zunahme der über 65-Jährigen um ca. 44.000, während die unter 18-Jährigen um 13.000 weniger werden. Diese Entwicklung ist unbestritten. Bestreiten kann man aber durchaus manche der Langzeitprojektionsberechnungen und vor allem die politischen Schlüsse, die aus den demographischen Prognosen (jawohl: Prognosen!) gezogen werden. Großflächig dienen diese Zahlen zur Begründung von Reduzierung sozialer Leistungen und Standards. Besonders augenfällig wird es bei der Absenkung des Rentenniveaus und der Erhöhung des Renteneintrittsalters. Als unabwendbar werden diese Maßnahmen dargestellt, weil ja die berufliche aktive Generation immer mehr inaktive Rentner mitversorgen müsse.
Zunächst ist es keine Frage des Alters, sondern das Verhältnis Versorger zu Versorgten ist entscheidend. Richtig: Rentner müssen versorgt werden. Kinder und Jugendliche müssen aber auch versorgt werden. Der flehentliche Ruf nach mehr Kindern wird – wenn er gehört werden sollte – erst einmal weitere zu Versorgende bringen. Und ob diese Kinder später zu Versorgern werden, hängt davon ab, ob sie ordentlich bezahlte Arbeit finden. Ihre Chancen werden verschlechtert, wenn man ein ohnehin unterfinanziertes Bildungssystem ganz und gar kaputt spart.
Viel wichtiger als die Alterspyramide ist die Arbeitslosigkeit. Schon jetzt haben wir in Nordrhein-Westfalen fast eineinhalb mal so viele Arbeitslose, als für 2025 an über
65-Jährigen prognostiziert werden.
Der Schlüssel zur Sicherung der Altersversorgung ist also weniger eine Rentenabsenkung als eine nachhaltige Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Gerne außer Acht gelassen wird auch die Bedeutung der Arbeitsproduktivität für das Finanzierungsgefüge. Prognosen sagen uns 77 Prozent mehr Alte in 50 Jahren voraus. Das wirkt bedrohlich. Bei einer Steigerungsrate von im Durchschnitt 1,25 Prozent (wie von der Herzog-Kommission eher zurückhaltend geschätzt) wird die Produktivität in 50 Jahren um 86 Prozent über der heutigen liegen. Und 1,25 Prozent ist ein niedriger Wert. In den vergangenen 50 Jahren lag die jährliche Produktivitätssteigerung meist deutlich darüber, in Spitzenjahren sogar über 6 Prozent.
Auch ein Blick in die Vergangenheit ist interessant. Von 1900 bis 2000 stieg die Zahl der über 65-Jährigen um 170 Prozent. Für die nächsten 50 Jahre erwarten die Fachleute ein Plus von 77 Prozent – also anteilsmäßig weniger als im vergangenen Jahrhundert. Und das war ein Jahrhundert mit insbesondere in der zweiten Hälfte kräftig steigendem materiellen Lebensstandard für beruflich Aktive wie für Rentner und Pensionäre.
Man sollte Schreckensszenarien, die zur argumentativen Absicherung von sozialer Demontage ausgebreitet werden, nicht allein deshalb glauben, weil Politik und Medien scheinbar einhellig damit auf uns einhämmern.
Peter Sieler