Aufstieg nach dem Prognose-Unterricht

36,5 Prozent aller nordrhein-westfälischen Eltern, die die Empfehlung der Grundschule, wo ihr Kind seine Schullaufbahn fortsetzen solle, nicht akzeptieren wollten, lagen mit ihrer Einschätzung richtig. Das ergab der Prognose-Unterricht, an dem Anfang des Monats landesweit rund 2 300 Kinder teilgenommen hatten.
Drei Tage lang waren sie von einem dreiköpfigen Team, bestehend aus je einem Pädagogen der Grundschule und der weiterführenden Schule sowie einem Vertreter der Schulaufsicht, auf ihre Leistungen geprüft worden. In 826 Fällen ging danach der Daumen nach oben – die Kinder dürfen auf die von ihren Eltern gewünschte Schulform wechseln.
Dass die Grundschulen bei ihnen zu einem anderen Ergebnis gekommen waren, werten Wissenschaftler als Beleg für die Fragwürdigkeit der frühen Aufteilung auf Schulformen. „Nicht die Empfehlung als solche oder der Prognose-Unterricht sind das Problem, sondern der frühe Zeitpunkt der Selektion", klagt der Siegener Grundschulexperte Hans Brügelmann. Man könne im Alter von zehn Jahren eben noch nicht festlegen, wie sich ein Kind entwickeln werde.
Die Sorge, ihr Kind könne auf einer „zu niedrigen" Schulform landen, veranlasst immer mehr Eltern, bereits in den ersten vier Schuljahren auf Nachhilfeangebote zurückzugreifen. Auch darauf weisen Wissenschaftler hin. Besonders stark ausgeprägt ist die Befürchtung, dass die Empfehlung „Hauptschule" lautet. Das belegen die gestern vom Schulministerium vorgelegten Daten. Rund zwei Drittel aller Einsprüche gegen das Votum der Grundschule hatten zum Ziel, nachträglich eine Realschulempfehlung zu erhalten. In 493 von 1.490 Fällen war der Widerspruch von Erfolg gekrönt.
Schulministerin Barbara Sommer (CDU) versuchte gestern, jenen Mut zu machen, deren Protest abgelehnt wurde. „Die Kinder, die auch nach dem Prognose-Unterricht keine andere Schulformempfehlung erreichen konnten, haben trotzdem noch alle Chancen", versicherte sie. Schließlich sehe das neue Schulgesetz während der Erprobungsstufe jedes halbe Jahr eine Überprüfung vor, ob das Kind inzwischen für eine andere Schulform geeignet sei.
Sommer fügte hinzu: „Auch später stehen leistungsstarken Kindern unabhängig von der besuchten Schulform alle schulischen Abschlüsse offen – über schulische Anschlussmöglichkeiten zum Beispiel in Berufskollegs oder auch gymnasialen Oberstufen. "